Die Geschichte des Schützenvereins

von Klemens Richter aus 1995

Wohl infolge der Weltwirtschaftskrise nach dem 1. Weltkrieg, als auch des 2. Weltkrieges sind viele Akten und Protokolle des Vereins nicht mehr vorhanden. Vielleicht wurde auch einiges nicht niedergeschrieben. Jedenfalls kann eine ausführlich zusammenhängende Aufzählung und Wiedergabe der Geschichte des Vereins nicht gemacht werden.

Die folgende Chronik beruht sowohl auf noch vorhandenen Akten, als auch auf glaubhaften Erzählungen älterer Vereinsmitglieder aus dem Gründungsjahr. Befragt wurden zu Lebzeiten Johannes Segref sowie weitere inzwischen verstorbene Mitglieder und der jetzt 91 jährige Paul Stracke.

Zwei Jahre nach Beendigung des 1. Weltkrieges, aus dem viele Männer aus der damals kleinen Ortschaft Gleidorf nicht zurückkehrten, fanden sich einige Kriegsheimkehrer zusammen, um Kriegerheimkehr zu feiern. Unter diesen Männern waren auch viele, die bereits dem 1894 gegründeten Männergesangverein und/oder dem 1896 gegründeten Turnverein angehörten. Dies wird aus Akten u.a. des MGV belegt. Man traf sich nach Vorbereitung der Feier an einem Sonntag auf der sogenannten ,,Esfelds Wiese“; so niedergeschrieben in einem Einzelprotokoll.

Eine Halle war noch nicht vorhanden. Während der Feier kam der Gedanke auf, einen Vogel abzuwerfen und ein Schützenfest zu feiern. Es wurde sogleich ein ,,Vogel“ gebastelt und dieser am Bahndamm, nahe des Bahnhofes auf einem Bahnverkehrszeichen aufgesetzt. Mit Schottersteinen des Bahndammes wurde dann der Vogel, so schrieb man, zur Strecke gebracht.

Glücklicher Sieger und somit erster Gleidorfer Schützenkönig war Wilhelm Daus; Vater bzw. Großvater des jetzigen Inhabers des Installationsgeschäftes Willy Daus und dessen Sohn Reinard Daus. Schon damals, so die Erzählungen genannter Personen, soll man um die Königswürde heftig gerungen haben. Hieraus resultierte der Gedanke zur Gründung einer Schützengesellschaft so stark, dass man sich hierzu entschloss. In einer Versammlung interessierter Männer am 18. Juli 1920 hatten diese Männer der ersten Stunde bereits eine Satzung mit 19 Paragraphen erarbeitet, die für die Gesellschaft die Grundverfassung sein sollte.

Diese wurde von den Mitbegründern:

- Hermann Vogt, Louis Vogt, Wilh. Richstein,
- Ewald Schlinkert, Wilhelm Knippschild.
- Otto Korn sen. und Franz Koch

am 19. Januar 1921 unterzeichnet.

Im gleichen Jahr verzeichnete man bereits 110 Mitglieder. Die Versammlung bestimmte für den Schützenzusammenschluss den Namen: ,,Schützengesellschaft Gleidorf“.

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Bereits im folgenden Jahr wurde ein Antrag auf Eintragung in das Vereinsregister dem Preuß.-Amtsgericht in Fredeburg zugeleitet. Die Eintragung wurde am 20.5.1924 vom genannten Gericht bestätigt und besiegelt.

Im gleichen Jahr am 24. März, abends 8 Uhr, traf man sich mit den Vorständen des Männer-Gesangvereines und des Turnvereines in der Wirtschaft Kortmann. Zweck dieses Treffens war hauptsächlich die Ausrichtung des Schützenfestes und für den MGV die Ausrichtung des 7. Bundesfestes des Sängerbundes ,,Oberer Lennegau“. Diese Ausrichtung war dem MGV vom Bund übertragen worden. Der Turnverein hatte sich angeschlossen, um über den Bau einer Turnhalle zu diskutieren.

Das Protokoll, dass vom MGV niedergeschrieben wurde, hatte folgenden Wortlaut:

Am 24.03.24, abends 8 Uhr, fand in der Wirtschaft Kortmann eine Sitzung der Vorstände vom Gesang-, Turn- und Schützenverein statt.

Tagesordnung:

1. Einigung über die Verbindung des Schützenfestes mit dem Gesangfeste.
2. Besprechung über den Bau einer Halle.

Laut Beschluss des Delegiertentages vom Sängerbunde ,,Oberer Lennegau“ bekommt Gleidorf das diesjährige Bundesgesangfest. Der Schützenverein hatte im Einverständnis mit dem Gesangverein in seiner Generalversammlung beschlossen, das Schützenfest mit dem Bundesgesangfest zu feiern.

Der Vorsitzende vom Schützenverein, Herr Hermann Vogt, eröffnete die Versammlung gegen 8 1/2 Uhr:
Zu Punkt 1. gab es ein langes hin und her Überlegen bis endlich als einzig annehmbarer Vorschlag der des Gesangvereins besprochen wurde. Der Gesangverein schlug vor: Übernahme sämtlicher Ausgaben und Einnahmen, Auf- und abmontieren der Zelte, usw. von Seiten des Gesangvereines, nur die Karteneinnahme vom Schützenfestmontag bleibt dem Schützenverein. Außerdem erhält derselbe vom Gesangverein an bar RM 100-150 je nach Ausfall des Überschusses. Auch dieser Vorschlag brachte keine Einigung, der MGV musste nachgeben. Außer Obengenanntem bewilligte er für sämtliche Schützenbrüder freien Eintritt zum Gesangfeste. Dies gab einen Ausfall der Einnahmen von wenigstens RM 150. Aber keineswegs befriedigt wurde weiter gehandelt bis der MGV endlich noch zugestand, den Überschuss vom Bundesfeste zum größten Teile als Anleihe zum Bau einer Schützenhalle herzugeben, wenn es dazu kommt!

2. Der Bau einer Halle wurde beschlossen. Das Geld soll durch Ausgabe von Aktien (Anteilscheine) aufgebracht werden. Gesang- und Turnverein beteiligen sich durch Flüssigmachen von Geldern. Gegen 11 Uhr wurde die Versammlung geschlossen. In einer weiteren Versammlung am 22.07.24 wurden die Aufgaben verteilt und die Überlegung angestellt, ob man dieses Fest in der heutigen schlechten Zeit überhaupt feiern sollte. Man war sich dann jedoch einig, das Fest abzuhalten. Zitat des letzten Satzes aus dem Protokoll des MGV: ,,Nach langem hin und her Überlegen wurde in später Stunde die Versammlung (MGV) mit einem letzten - Nur Mut, es wird schon schief gehen -, geschlossen“. Das Protokoll über dieses gemeinsame Fest soll wegen des Zusammenhanges hier wiedergegeben werden.

In den Jahren nach der Gründung der Schützengesellschaft Gleidorf folgte im Jahr 1921 und 1923 ein Schützenfest. Als eines der ältesten Fotos dürfte das Königsfoto/Hofstaatfoto von 1923 sein. König war Heinr. Siepe. (Siehe Foto vor dem Bahnhof Gleidorf). Ermittelt wurde der König an der Vogelstange in ,,Teipels Berg“. Ebenso ist ein Foto vom Festzug 1927 vorhanden. Dieses zeigt Schützenkönig Franz Schauerte I . mit Ehefrau im Festzug in der Kirchstraße Richtung Hauptstraße. Nach dem Bau einer Halle, schließlich durch den Turnverein im Jahre 1926/27, wurden die Dorf- und Schützenfeste dort gefeiert. Zuvor geschah dies unter freiem Himmel oder in sog. Lakenzelten. Der Vogel wurde anfangs mit Steinen und auch mit der Armbrust von der Stange geholt; später jedoch mit Luftgewehr und Karabiner. Geschossen wurde, da noch kein fester Stand angelegt war, in ,,Teipels Berg und Unterm Hömberg“. Hier holte 1931 Hubert Arens den Vogel von der Stange.

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"Nur Mut,

es wird schon schief gehen"

Die folgenden Jahre schoss man dann bereits im ,,Arens Loch“ wo auch heute noch Gleidorfs Könige ermittelt werden. Im Jahre 1930, 1932 und 1934 fanden keine Schützenfeste statt. Wie aus einem Protokoll und Schreiben vom 11.02.1935 an die Polizeiverwaltung Schmallenberg, dort mussten die Feste angemeldet werden, hervorgeht, soIl der Boykott des Gleidorfer gastwirtschaftlichen Gewerbes Schuld daran gewesen sein.

In diesen Vorkriegsjahren wurde die Festmusik wechselweise von der Krämerschen Kapelle Schmallenberg, dem Musikverein Oberkirchen und dem Musikverein Gleidorf, der damals schon bestand, ausgeführt. Die Kosten für Miete der Turnhalle ab 1927 und den 30er Jahren von RM 102,62 und die Musik von RM 250,- waren für den armen Verein erheblich. So wurde es jedenfalls notiert. Vor dem Bau der Halle mussten für geliehene Zelte auch erheblich Summen gezahlt werden. Zu Beginn des Jahres 1937 erfolgte dann auf Anordnung bzw. Befehl des NS-Regimes die Umbenennung der Gesellschaft in ,,Schützenverein 1920 e.V.“. Dieser musste die Statuten des Reichsschützenverbandes annehmen und war in den Kriegsjahren den Weisungen und Befehlen des zuständigen Gauleiters der NSDAP unterworfen. Mehrfach wurden die der Gauleitung nicht genehmen Vereinsführer abgelehnt, wie ein Schreiben von 1937 belegt.

Im gleichen Jahr und 1938 wurde an die Turnhalle schon angebaut. Der Schützenverein übergab dem Turnverein, so das Kassabuch von 1937 und Beleg des Turnvereins vom 01.02.1938, RM 200,- für den Anbau. Ende 1938 übernahm der Schützenverein die Turnhalle des Turnvereins mit allen Rechten und Pflichten.

So auch die auf der Halle liegende Hypothekenlast von RM 3.500,- von der Heinrich Wenker - Brauerei, Kronenburg, Dortmund. Obwohl die Gleidorfer Vereine durch Zahlungen zum Hallenbau die Schuldenlast senkten, konnte die Schuld nicht gelöscht werden. Erst eine im Jahr 1943 durchgeführte Spendenaktion zur Schuldentilgung erbrachte eine Summe von RM 2.505,-, laut Kassabuch. Weiter wurde eine Summe von RM 1.000,- als Mietvorauszahlung von Gleidorfer Firmen geleistet. Diese hatten die Halle über einen längeren Zeitraum als Lagerhalle gemietet. So konnte trotz 8jähriger Vereinsruhe die Schuld bei der Brauerei gelöscht werden.

Erst im Jahre 1947 und 1948, nach verlustreichem Krieg, regte sich das Vereinsleben wieder. In beiden Jahren wurde schon wieder ein inoffizielles Fest gefeiert. Das offizielle Vereinsleben wurde 1949 wieder voll aufgenommen. (Lt. Satzungseintragung am 30.01.49 beim Amtsgericht Fredeburg). Ein Gesetz der Besatzungsmacht machte dies durch das sog. Kontrollratsgesetz der Alliierten möglich. Der Vereinsname wurde wieder geändert. Der Schützenverein wurde aufgelöst und eine Bruderschaft gegründet. Sie hatte lt. Eintragung im Kassabuch am 01.03.48 einen Barbestand von RM 65,-. Die Königskette mit Orden und Fahne aus den Anfangsjahren des Vereins ist bis heute verschollen. So wurde 1948 eine Königskette ,,St. Hubertus Schützenbruderschaft 1920 Gleidorf“ angeschafft.

Die Schützenhalle wurde in den Jahren nach dem Kriege mehrfach wegen wachsender Ortsgröße und Mitgliederstärke um- und angebaut. Dies geschah unter Einsatz der Mitglieder in Eigeninitiative. Eine neue Fahne wurde angeschafft. Dem Turnverein 1896 wurde im Jahre 1938 bis zum Jahre 1958 ein unentgeltliches Turnen in der Halle durch Vertag gewährt. Im Jahre 1961, am 13. März, wurde die Bruderschaft wieder umbenannt in Schützenverein 1920 e.V. Gleidorf. Die Eintragung erfolgte beim Amtsgericht.

Das Vereinsleben lief dann unter der Führung des damaligen Vorsitzenden und Hauptmannes Franz Feldmann bis zum Jahre 1976 in geregelten Bahnen.

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In der Jahreshauptversammlung im März 1976 vollzog sich nach und nach ein Generationswechsel im Verein. Außer einem neuen Vorsitzenden (Paul Göddecke) zogen viele neue Männer in den Vorstand und das Offizierskorps ein. Es kam neuer Wind in den Verein. Man war es leid, immer wieder Gelder in die alte Halle für Reparaturen oder kleinere Anbauten zu investieren. Mut war erforderlich. So war es folgerichtig, anstatt Speiseraum, Bierkeller und sonstige Gebäudeteile zu renovieren und zu erweitern, in Überlegungen für einen Neubau einzutreten.

In einer gut besuchten außerordentlichen Versammlung konnten die Mitglieder hierfür gewonnen werden. Der Bau wurde dann nach Abriss der alten Halle, (alte Toiletten und Parkettboden wurde erhalten) im Frühherbst 1978 begonnen und bis zum Schützenfest 1979 vollendet. Das Schützenfest 1979 und die Halleneinweihung durch Dechant Wolfgang Rademacher von der katholischen und Herrn Pastor Stienecker von der evangelischen Kirchengemeinde, wurden im Juli bzw. September in neuer Halle gefeiert.

Ausschlaggebend für den Bau war die Einsatz- und Zahlungsbereitschaft der Mitglieder und die Unterstützung der Stadt Schmallenberg, dass der Bau trotz dreimonatiger Winterpause so schnell vollzogen wurde. (Jedes Mitglied leistete eine Geldzahlung von DM 700,- oder halben Anteil in Arbeitsstunden und Geldleistung). Eine ausführliche Schilderung über Planung und Ausführung des Baues würde hier sicherlich den Rahmen der Chronik sprengen. Dies alles ist in den Protokollen des Vereins nachzulesen.

Erwähnt werden muss hier noch, dass dem Schützenverein aus Gleidorf vom scheidenden Pfarrer Wolfgang Rademacher im Jahre 1985 zum Abschied eine zweite, dem heiligen Sebastian geweihte Fahne, geschenkt wurde. Einen herzlichen Dank auch an dieser Stelle.

Mögen sich immer wieder Männer finden, in den Verein einzutreten und sich nicht scheuen, im Vorstand und Offizierskorps zum Wohle des Vereins für die Zukunft mitzuwirken, damit auch fernerhin die Vereinsgeschichte weitergeschrieben werden kann.